Der Brenzinger-Brunnen vor der Pfarrkirche St. Albert
Der Brunnen, so erzählt uns der bedeutende Heimatforscher Franz Flamm ın seinen Skripten „Von den Fluren im Freiburger Westen“ stand einst an der Nordseite der Lehenerstraße, nahe der Einmündung in die Eschholzstraße. Dies war lange Zeit die westliche Bebauungsgrenze Freiburgs. Von hier aus reichte der Blick über die freien Fluren bis zum alten Dörflein Betzenhausen und dem Mooswald. So unbedeutend das Äußere des Brunnens auch sein mag, er wurde zum Zeitzeugen für die Entstehung des Stadtteils Stühlinger.
Die Firma Brenzinger, Betonbau, damals nahe dem Bahnhof, hat den Brunnen gebaut. Der Stühlinger wurde als ein Stadtteil der Arbeiter, Handwerker, Postler, Bähnler, Taglöhner und Dienstmägde errichtet. Die gesellschaftliche Oberschicht lebte überwiegend in Herdern und der Wiehre, die Mittelschicht am südwestlichen Stadtrand außerhalb des Martinstores und des Stadttheaters.
So wurde der Laufbrunnen an der Lehenerstraße zum Brunnen der „kleinen Leute“. Der „Stühlinger“ war um die Jahrhundertwende kaum drei Jahrzehnte alt. Der Brunnen wurde zum Zeitzeugen für soziales Wohnen. Rund 100 Sozialwohnungen waren vom Bauverein für die „Arbeiterklasse und niedere Beamte“ solid und billig gebaut worden.
Ältere Bürger wissen noch nette Geschichten über den Brunnen als Treffpunkt für Kinder und Jugendliche, die dort allerhand Schabernack getrieben haben, zu erzählen. Heinrich Pfänder schreibt zu der Gegend: „Die hintere Eschholzstraße war ein weites Tummelfeld mit Gärten, die zum Rivieraersatz für die bescheidenen Bewohner des Stühlinger geworden sind“. Urlaub gab es für die „kleinen Leute“ damals nicht.
Der Brunnen als Labsal für Mensch und Tier
Um das Jahr 1752 wies Freiburg 57 Tränkebrunnen aus. 1840 waren in Freiburg noch 700 Kühe registriert. Der Laufbrunnen an der Lehenerstraße wurde jahrzehntelang zu einem beliebten Haltepunkt für
die Marktfrauen aus Lehen und Betzenhausen, die, zunächst mit Körben auf dem Kopf und in den Händen, eine gute Wegstunde zum Freiburger Wochenmarkt
unterwegs waren.
Später wurde ihnen die Last durch die zweirädrigen Handkarren etwas erleichtert und bei der Unterführung von der Lehener- zur Friedrichstraße standen schon einfallsreiche Buben bereit, die für 10 Pfennig die Karren schieben halfen.
Einen ersten Haltepunkt vor dem Brunnen hatten die Frauen und Männer schon beim „Zollhäusle“, der Grenze zwischen der Gemarkung Betzenhausen und Freiburg hinter sich. Daran erinnert auch die Grenzstraße im heutigen Stadtteil Mooswald. Der Brunnen wurde aber auch zu einem wichtigen Halt für die Sand- und Kiesfuhrwerke aus dem Freiburger Westen. Sie brachten neben Ziegeln aus der Lehener Ziegelei auch Sand und Kies aus den Kiesgruben an der Tränkestraße, dem Stockmattenweg, dem Idinger, dem Rotlaub und viel Kies aus dem Schotterwerk Flückiger (heute Seepark).
Die Pferde hatten geduldig auf den Halt am Laufbrunnen Lehenerstraße gewartet. Über den „Klarateiler“ bei der Kreuzung Stefan- Maier- Friedrichstraße wurde auch das Wasser über eine Röhre unter dem Hauptbahnhof aus dem Klarabach für die Runzgenossenschaft zur Bewässerung von etwa 40 ha Land, aber auch der Brunnen geliefert.
Mit dem Bau des nördlichen Stühlinger mit der Lutherkirche wurde aus dem Brunnen der „kleinen Leute“ auch ein Bürgerbrunnen, der schließlich auch die Bombennacht im November
1947 überstand. Er stand nun jahrelang inmitten einer Trümmerlandschaft. Mit dem Neuaufbau der Häuser und Straßen mußte der Brunnen weichen. Er wurde zum Lagerhof.
des städtischen Tiefbauamtes gebracht und blieb dort fast zwanzig Jahre „vergessen“ !
Franz Flamm sorgt für neuen Standort
In den Sechzigerjahren entstand der neue Stadtteil Bischofslinde. 1963 wurde als Ersatz für die alte, mächtige, aber leider zerstörte Linde am Knie der alten Lehenerstraße eine neue Linde
gepflanzt, und 1957 wurde der Grundstein für die St. Albertkirche gelegt. Zur Linde, so meinte Franz Flamm, gehöre ein Brunnen. Er sorgte dafür, daß der alte, traditionsreiche
Laufbrunnen von der Lehenerstraße wieder - vom Lagerhof geholt - einen würdigen Platz erhielt. Es sollte, so meint Franz Flamm, so meint ebenfalls der Bürgerverein Betzenhausen-Bischofslinde
möglich sein, daß der Brunnen an so bedeutender historischer Stätte, wo auch der Frieden von Bischofslinde durch Vermittlung Albert des Großen geschlossen wurde, wieder zu einem Laufbrunnen mit
Wasser wird!
Harald Albiker
Ein Beitrag in Bürgerblättle 147, Dez. 1998 - März 1999